von Holger Denckmann
Vorgeschichte
Wie jede Musikschule führen auch wir im Nordwesten einmal im Jahr unsere Gesamtkonferenz durch. Seit einigen Jahren heißt dieser Tag "Zukunftstag". Der Name ist Programm: Es wird an neuen Ideen gebastelt und auch die ein oder andere Vision diskutiert. Nachdem im Dezember 2015 Andreas Doerne mit dem Leitungsteam der Musikschule zusammengesessen und uns seine Idee eines musikalischen Lernorts vorgestellt hatte, waren wir alle davon elektrisiert. Der nächste Zukunftstag stand vor der Tür, so dass wir kurzerhand beschlossen, dem gesamten Kollegium Doernes und jetzt auch unsere Vision einer offenen Musikschule zu präsentieren und zur Diskussion zu stellen.
Die Resonanz war deutlich positiver als wir es alle erwartet hatten, und bis in den Sommer 2017 hinein überlegten wir in Arbeitsgruppen, beim kollegialen Gespräch zwischendurch oder auch allein, wie wir die Vision zumindest zum Teil Wirklichkeit werden lassen könnten. Wir alle betreten Neuland und uns fehlt es an Erfahrungen, um die ganz große Lösung eines alle Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler umfassenden Lernortes umzusetzen. Die Fachgruppe Schlagzeug, allen voran ihr Fachgruppenleiter, beschlossen auf einer Konferenz, das Wagnis einzugehen und einfach anzufangen. Das Projekt stand von vornherein unter dem Titel "Drumort".
Idee
Rahmenbedingungen
Der Ort
Die Schlagzeugerinnen und Schlagzeuger der Musikschule der Stadt Oldenburg sind in einem autarken Gebäudetrakt einer Grundschule, der nur von der Musikschule genutzt wird, untergebracht. Hier gibt es 4 große Räume (je 60 m²), einen eigenen Flur und eine kleine Küche für die Lehrkräfte. In 3 Räumen gibt es viel freie Fläche, sehr viele Schlaginstrumente und eine festinstallierte Anlage. Der Standort ist eher am Rand von Oldenburg angesiedelt, die Musikschule unterrichtet dort aber seit über 30 Jahren Schlagzeug und Bandprojekte, sodass die Schülerinnen und Schüler "Kummer" gewohnt sind.
Die Lehrkräfte
Insgesamt unterrichten 7 Schlagzeuglehrkräfte an der Musikschule der Stadt Oldenburg. Die meisten allerdings nur mit kleinen Unterrichtsdeputaten. 5 Lehrkräfte unterrichten regelmäßig und mindestens im Umfang eines vollständigen Unterrichtsnachmittags am Standort. Die Profile der Lehrkräfte sind sehr unterschiedlich. Die 6 Lehrkräfte sind:
Die Schülerinnen und Schüler
Im Schlagzeugbereich gibt es etwa 80 Schülerinnen und Schüler. Diese haben in den verschiedensten Konstellationen Unterricht: in Gruppen, im Partnerunterricht, allein, zusätzlich in Ensembles oder auch in Schulkooperationen. Am Standort haben davon ca. 60 Schülerinnen und Schüler regelmäßig einmal die Woche Unterricht. Sollte also der (höchst unwahrscheinliche) Fall eintreten, dass tatsächlich alle 60 Menschen zur gleichen Zeit den Drumort aufsuchen, wäre das Aufkommen dennoch zu bewältigen.
Konkrete Umsetzung
Projektmonat
Das Projekt soll vier Wochen dauern. An drei Tagen in der Woche werden "Drumort-Tage" eingerichtet. Die meisten Schülerinnen und Schüler haben ihren Unterricht am Montag, Dienstag und Mittwoch, sodass diese Tage als Projekttage festgelegt wurden.
Wir hoffen, dass die Laufzeit von vier Wochen lang genug sein wird, um uns Erkenntnisse zu liefern, aber gleichzeitig kurz genug, dass die Kunden sich auf das Experiment einlassen.
Die Struktur der Projekttage
Der Drumort ist offen. Jeder kann jederzeit kommen. Dennoch hielten wir es alle für notwendig, uns und den Schüler_innen einen "roten Faden" durch den Tag zu legen. Dieser muss nicht verfolgt werden, wird aber immer angeboten und zur Teilnahme daran aufgefordert.
Groove des Tages (30 Minuten)
Hier geht es darum anzukommen. Ein erster kleiner gemeinsamer Startpunkt soll gefunden werden, bevor es zu sehr ins Detail geht. Die Koordination, das Rhythmusgefühl und das Zusammenspiel stehen hier im Vordergrund.
Sticks and Tricks (30 Minuten)
In diesem Abschnitt steht ganz klar die Spieltechnik im Fokus. Gemeinsame Übungseinheiten oder auch kleine "Trainingsabschnitte" für bestimmte Bewegungsabläufe finden hier ihren Platz.
Individuelle Zeit – Unterricht/Üben/Sozialisieren (30 Minuten)
Selbstverständlich kann außerhalb des "Regelangebots" auch immer individuell geübt, ausprobiert oder geforscht werden. Gerade bei den kleinen Kindern, die zu jenen Zeiten ihre regulären Unterrichtszeiten hätten, in denen die ersten beiden Gruppenkurse stattfinden, ist eine etwas festere Struktur häufig gewünscht. Daher ist hier an dieser Stelle des Projekttages bewusst eine 30minütige "Offene Zeit" eingebaut, die zum selbstständigen Bewegen im Lernort auffordert.
Drumtalk (30 Minuten)
Hier wird dem "Sprechen über Schlagzeug" ein Forum gegeben. Wer weitertrommeln will, kann dies selbstverständlich tun. Eine Lehrkraft wird in jedem Fall einen "Drumtalk" abhalten. Hier können auch die berühmt-berüchtigten "Schlagzeug-Videos" zum Einsatz kommen. Es geht darum, den Horizont der Schlagzeugschüler_innen zu erweitern.
Groove Essenzen – klassisch und Jazz/Rock/Pop (45 Minuten)
An dieser Stelle des Tages gibt es zwei Angebote zum Auswählen. Ein Angebot aus dem Bereich des klassischen Schlagwerks (Mallets, Pauken, Tamburin etc.) oder Drumset.
Hier geht es richtig ins Detail und eben auch um die Chance für die Teilnehmer_innen, etwas bislang Unbekanntes zu erschließen oder zumindest kennenzulernen. Die Zeit ist mit 45 Minuten daher auch bewusst länger gewählt.
Individuelle Zeit – Unterricht/Üben/Sozialisieren (15 Minuten)
An dieser Stelle des Projekttages gibt es noch einmal die Möglichkeit auszuruhen, sich zu stärken oder noch einmal alleine das eben Gelernte individuell nachzuvollziehen oder einfach einmal etwas ganz anderes zu spielen.
Drum together – Ensemble (60 Minuten)
Den Abschluss des Projekttages bildet ein Ensembleangebot. Hier wird gemeinsam improvisiert oder eine Komposition eingeübt. Arrangements der Stücke liegen in verschiedenen Schwierigkeitsstufen vor. Didaktische Reduktion ist immer möglich, so dass niemand außen vor bleibt.
Elterninformation
Als große Aufgabe wurde das Informieren der Eltern ausgemacht. Diese sollten weit vor Projektbeginn und so positiv, ermunternd und eben auch im Vorfeld deeskalierend wie möglich, auf den Drumort vorbereitet werden.
Hierzu wurde ein kleiner Flyer entwickelt und zusätzlich ein formelles Anschreiben verschickt.
Das Anschreiben an die Eltern erklärte noch einmal ein wenig formeller, was es mit dem Drumort-Projekt auf sich hat. Auch wurde darauf eingegangen, dass es sich um ein Mehrangebot handelt und dass niemand Angst haben muss, dass sein/ihr Unterrichtsanspruch verfällt oder die Musikschule ihrer vertraglichen Pflicht des Unterrichtens zur Unterrichtszeit der Schüler_innen nicht nachkommt. Gleichzeitig wurde auf das Festival "Der Norden trommelt 2017" hingewiesen. Ein Schlagzeugfestival, dass alle zwei Jahre in Oldenburg stattfindet und günstigerweise genau eine Woche vor dem Start des Drumort-Projektes stattfinden wird. Wir haben also versucht, die positive Grundstimmung im Themenbereich "Schlagzeug und Percussion" gleich mit für uns zu nutzen.
Vorbereitung der Lehrkräfte
Allen Beteiligten ist klar, dass sich der Unterricht im Projektmonat zu jenem im Musikschul-Alltag deutlich unterscheidet. Es geht um Kinder/Jugendliche, die im besten Fall viel Lust auf Schlaginstrumente und Trommeln haben. Doch wie den großen Fragezeichen begegnen? Was passiert konkret? Niemand will vor einer Gruppe von trommelwütigen Kindern und Jugendlichen stehen und dann aus der hohlen Hand ein Angebot machen müssen. Daher wurde eine Planungsmatrix entwickelt und an die Lehrkräfte verschickt.
Für jeden Projekttag an dem eine Lehrkraft anwesend ist, bekommt sie einen solchen Plan. Dieser wird zwei Wochen vor Beginn des Projektes zurückgegeben, um noch die Chance zu haben, eventuell benötigte Utensilien (Audio-Equipment, Noten, Instrumente, Stühle, Tische etc.) zu organisieren. Die Pläne erinnern ein wenig an Lehrprobenentwürfe aus der Studienzeit. Wir sind aber alle davon überzeugt, dass sie helfen sich selbst zu organisieren und bestmöglich auf die Aufgabe vorzubereiten.
Der Countdown läuft ... Am 06. November 2017 geht es los!